Predigt zu Mt 22,1ff: Das königliche Hochzeitsmahl, Friedenskirche Bayreuth, 3.7.11

Liebe Gemeinde!

Manchmal bieten wir in unseren Gemeinden wunderbare Veranstaltungen an – und doch kommt niemand. Waren die Veranstaltungen langweilig? Nein, durchaus nicht. Es waren Veranstaltungen zu spannenden Themen. Es ging darum, wie ich Glück und Sinn in meinem Leben finden kann. Es ging um Gott und das ewige Leben. Es ging um die richtige Lebensgestaltung. Auch die Form war alles andere als monoton und trocken. Es gab zu essen und zu trinken. Es gab etwas für die Sinne und den Körper. Haben wir nicht genug Werbung gemacht? Doch, das haben wir. Tatsächlich sagen viele im Nachhinein, dass sie davon wussten. Warum kamen sie dann dennoch nicht? Ganz einfach: Sie hatten Besseres zu tun, jedenfalls etwas, das in ihren Augen besser war. Die einen mussten noch arbeiten, andere waren mit der Familie beschäftigt, wiederum andere waren nach einem anstrengenden Arbeitsalltag einfach nur zu müde!

Nun kann ich die Menschen, die lieber daheim bleiben, durchaus verstehen. Mir geht es ja selbst oft so, dass ich am Abend keine große Lust mehr habe, mich noch zu etwas aufzuraffen. Aber wenn ich Veranstalter bin, mir große Mühe mache und dann allein dasitze, dann ist das natürlich frustrierend. Ähnlich scheint es Gott in diesem Gleichnis zu gehen. Er feiert ein großes Fest, ein Fest des Lebens, er will uns alles schenken, was das Leben schön und lebenswert machen und uns vor Irrwegen bewahren kann – und keiner nimmt die Einladung an. Dabei muss Gottes Schmerz und Enttäuschung verglichen mit unserem Schmerz als Veranstalter unendlich größer sein. Er ist ja nicht irgendwer, sondern der, der uns Menschen geschaffen hat und in uns vernarrt ist. Er hat ein intimes Verhältnis zu den Eingeladenen, so wie es eigentlich nur Eltern zu ihren Kindern haben können. Er leidet deshalb auch wie kein anderer. Nicht nur, weil seine Liebe zurückgewiesen wird, sondern, weil er zusehen muss, wie seine geliebten Kinder sehenden Auges auf den Abgrund zusteuern.

Doch Gott gibt nicht gleich auf. Er versucht es ein zweites Mal, sendete dieses Mal andere Knechte. Vielleicht lag es ja an den Knechten. Vielleicht waren sie nicht sympathisch genug. Vielleicht gelang es ihnen nicht die Botschaft rüberzubringen. Eine Strategie, die mir bekannt vorkommt. Wenn das Evangelium nicht ankommt, dann hinterfragen wir in der Kirche die Formen und versuchen es mit einer adressatengerechteren Verkündigung oder mit den so genannten niederschwelligen Angeboten. Nützt das was? Mal ja, mal nein. Bei Gottes großem Fest jedoch hat man nicht den Eindruck, dass der Austausch der Boten viel bringt. Es wird sogar noch schlimmer: Man verjagt die göttlichen Boten. Einige werden sogar umgebracht. Wenn Matthäus das so erzählt, dann denkt er natürlich an die Geschichte Israels: Oft wurden Gottes Boten, die Propheten, misshandelt. Ihre Botschaft war einfach zu unbequem, sie hat die Mächtigen zu sehr an den Pranger gestellt. Denn gerade, weil sie wollten, dass die Menschen zu einem guten Leben finden, mussten sie auch deutlich sagen, welches Leben in die Irre führt. Gottes Bote zu sein, war schon immer gefährlich. Das sieht man an deutlichsten an Jesus, in dem Gott selbst zu uns kam. Er hat sich weit aus dem Fenster gelehnt, und am Ende stand das Kreuz. Was macht Gott nun? Im Gleichnis heißt es: „Da wurde der König zornig und schickte seine Heere aus und brachte diese Mörder um, und zündete ihre Stadt an.“ Ich verstehe das so, dass Gott dort, wo Menschen sich ihm verweigern, nichts anderes übrig bleibt, als die Menschen den Folgen ihres Handelns preiszugeben. Er lässt sie ihre Wege gehen, und dann ernten sie eben die Früchte ihres Tuns!

Was ist nun mit Gottes großem Fest? Fällt es aus? Wird es abgesagt? Nein, es findet statt, aber nun wendet sich Gott ganz anderen Leuten zu, den Leuten auf der Straße. Menschen, die nichts mehr zu verlieren haben, die nur noch gewinnen können. Gott nimmt, wen er kriegen kann, und tatsächlich, die Tische werden voll.

Sie werden mir recht geben: In diesem Gleichnis dominieren die ernsten Töne. Es geht zwar um etwas total Schönes und Fröhliches, ein Fest, aber es geht eben auch um die Frage, ob ich mich zu diesem Fest einladen lasse? Matthäus will, dass ich über die Frage nachdenke, zu welcher Gruppe in diesem Gleichnis ich gehöre? Zu denen, die Besseres zu tun haben und Gott einen Korb geben? Oder zu denen auf der Straße, die zuhauf kommen und die Tische füllen? Nun wird mancher vielleicht denken und sagen: Das ist doch keine Frage! Wir haben uns doch einladen lassen! Wir sind getaufte Christen! Wir gehören zu einer Gemeinde! Wir gehen in den Gottesdienst und versuchen so gut es eben geht ein christliches Leben zu leben. Ich fürchte nur, dass Matthäus mit dieser Antwort nicht zufrieden wäre. Als zum Schluss nämlich der König selbst kommt, um die Gäste zu inspizieren, da fällt ihm auf, dass einer kein hochzeitliches Gewand trägt, und tatsächlich wird dieser hochkant rausgeschmissen. Damit will Matthäus sagen: Es genügt nicht, die Einladung Gottes angenommen zu haben, es genügt nicht, einfach dabei zu sein, man muss sich auch hochzeitlich kleiden, sich also dem göttlichen Fest entsprechend verhalten.

Das klingt hart. Das klingt unevangelisch. Aber ich denke, dass wir diese Worte ernst nehmen sollten. Das, wovor uns Matthäus warnen will, ist das, was Dietrich Bonhoeffer einmal als „billige Gnade“ bezeichnet hat. Er schreibt in seinem Buch „Nachfolge“: „Billige Gnade ist der Todfeind unserer Kirche. … Billige Gnade heißt Gnade als Schleuderware, verschleuderte Vergebung, verschleuderter Trost, verschleudertes Sakrament; Gnade als unerschöpfliche Vorratskammer der Kirche, aus der mit leichtfertigen Händen bedenkenlos und grenzenlos ausgeschüttet wird … Das sei ja das Wesen der Gnade, dass die Rechnung im voraus für alle Zeiten beglichen ist. … Billige Gnade heißt Rechtfertigung der Sünde und nicht des Sünders.“ Wer die göttliche Gnade als billige Gnade missversteht, der nimmt die Liebe und die Vergebungsbereitschaft Gottes als Ausrede dafür, dass sich nichts im eigenen Leben ändern muss. Ein solcher Mensch sagt: Es ist doch eh egal, was ich mache, Gott wird’s schon richten. „Zu vergeben, das ist doch Gottes Job“, wie der Spötter Voltaire es mal gesagt hat. Ist das eine unrealistische Parodie? Ich glaube nicht, denn ich merke bei mir persönlich, dass ich manchmal schon zu einem solchen Denken neige. Auch frage ich mich sehr oft, ob wir in der Volkskirche nicht längst dazu übergegangen sind, eine „billige Gnade“ zu propagieren. Wir wollen es allen recht machen und verschweigen deshalb, dass der Glaube kein Automatismus ist, sondern er auch der persönlichen Antwort bedarf. Im Klartext: Meine Kindertaufe macht mich nicht einfach zum Christen. Sie ist die Zusage, dass Gott mich liebt und es mit mir persönlich zu tun haben will. Aber irgendwann muss ich darauf persönlich antworten und sagen: Ja, mein Gott, ich will auch mit dir zu tun haben. Ich will dir vertrauen. Ich will dir mein Leben anvertrauen. Hilf mir in deinem Sinn zu leben. Wenn wir als Kirche den Entscheidungscharakter des Glaubens verschweigen, dann erweisen wir den Menschen einen schlechten Dienst, weil Menschen so nie die Fülle der göttlichen Liebe erfahren. Mit Matthäus könnte man vielleicht sagen: Sich einladen lassen, dazu zu gehören, das ist gut, das ist der erste Schritt, aber in einem zweiten Schritt geht es dann eben auch, sich persönlich auf Gott einzulassen, sich berühren zu lassen, den Glauben zu wagen. Das ist alles andere als moralischer Perfektionismus.

Doch so sehr ich in dieser Hinsicht dem Matthäus folgen kann, an einem anderen Punkt bin ich skeptisch: Ich tue mich schwer damit, dass hier in diesem Gleichnis so viele letzte und absolute Urteile fallen. Die zuerst Eingeladenen, die bleiben anscheinend endgültig draußen. Da bei den zuerst Eingeladenen die Juden gemeint sind, können Sie sich vorstellen, welch verhängnisvolle Wirkungsgeschichte dieser Text gehabt hat. Auch der endgültige Rausschmiss des Gastes, der kein Hochzeitsgewand anhat, ist harte Kost. Vielleicht ist es ja tatsächlich so, dass wir Menschen so frei sind, dass wir uns Gott für immer entziehen können. Das kann kein Mensch wissen. Deshalb sollten wir nicht mit Gott spielen und die Freiheit, die uns gegeben ist ernst nehmen. Aber eines kann ich nicht glauben: Dass Gott einen Menschen, der zu ihm umkehren will, endgültig aufgibt, dass Gott selbst die Türen endgültig zuschlägt. Ich hätte mir hier ein anderes Ende gewünscht, vielleicht so, dass Gott zu dem Menschen hingeht, um mit ihm ins Gespräch zu kommen. Dann wäre das Ende immer noch offen, aber es wäre nicht Gott, der hier als Rausschmeißer agiert.

Liebe Gemeinde, es gibt neutestamentliche Texte, die stärker die Entscheidungsfreiheit des Menschen betonen und seine Verantwortung. Es gibt Texte, die stärker die Gnade und Liebe Gottes betonen. Daraus eine einheitliche Lehre zu machen, ist schwierig. Wichtig ist nur eines: Dass wir radikal ehrlich werden und erkennen, dass in der einen Lebenssituation das eine und in der anderen Situation das andere dran ist: Manchmal muss ich mich entscheiden, und es wäre eine billige Ausrede, wenn ich mich dann auf die Gnade Gottes hinausreden würde, der schon alles recht machen wird. Manchmal ist es aber auch umgekehrt: Da wäre es die größte Sünde, selbst etwas zu tun, da kommt es nur auf eines an: alles aus den Händen zu geben und es Gott zu überlassen, dass er die Dinge regelt. So kann ich zum Schluss nur beten: „Gott gib mir die Weisheit zu erkennen, was für mich jetzt gerade dran ist!“

Amen

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31. Januar 2022

Jesu Weg und unser Weg - eine Pilger- und Wanderreise auf Jesu Spuren

Sie fahren gerne im klimatisierten Reisebus durch exotische Länder, um nur ab und zu für genau getaktete Besichtigungen auszusteigen? Sie finden es zu anstrengend, sich auch mal selbst auf den Weg zu machen, um im Gehen die Landschaft wirklich unter die Füße zu bekommen und neue Erfahrungen zu machen? Sie wollen alles sehen, was zu sehen ist, auch wenn Sie dabei kaum noch aufnahmefähig sind? Sie interessieren sich für Religion und Theologie, aber haben kein so großes Interesse daran, über Glaubensfragen mit sich selbst oder anderen Menschen ins Gespräch zu kommen? … Wenn das so ist, dann würde ich Ihnen von meiner Pilgerreise nach Israel/Palästina dringend abraten. Im anderen Fall kucken Sie sich mein Angebot gerne mal an …

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5. April 2021

„Das Café am Rande der Welt“ und die Geschichte von den Emmausjüngern

Gestern habe ich ein kleines Büchlein gelesen: „Das Café am Rande der Welt“, von John Strelecky. Ein Bestseller! Deutsche Erstausgabe: 2007. Ich halte die 54. Auflage aus dem letzten Jahr in der Hand. Beachtlich! Wieder mal ein Bestseller, den ich relativ spät gelesen habe.

Wie auch immer. Ich fand das Buch anregend. Nicht so sehr wegen seines Inhalts. Den habe ich einfach schon zu oft gehört und gelesen in der immer inflationärer werdenden Lebensratgeber-Literatur. Er heißt auf den Punkt gebracht: „Lebe dein Leben, und zwar jetzt – und lass dich nicht für blöd verkaufen von denen, die dir durch ihre oft materiellen Glücksverheißungen das Blaue vom Himmel versprechen.“ In diesem Buch wird übrigens sogar ein Kürzel für den Sinn des Lebens gefunden, und das heißt: „ZDE“ = „Zweck der Existenz“. Diesen ganz individuellen „ZDE“ gilt es zu finden und zu leben. Irgendwie natürlich alles richtig, aber auch ein wenig banal, vor allem: wenn das bloß immer so einfach wäre. Viktor Frankl, der bekannte Psychotherapeut aus Österreich, hat sich dieser Aufgabe übrigens schon vor längerer Zeit auf etwas höherem Niveau gestellt. Er nannte das Logotherapie. Eine Therapie, die den Menschen individuell helfen soll, ihren spezifischen Lebenssinn zu finden, also das, wofür sie da sind. Was wiederum eine der drei Fragen ist, mit denen der Besucher dieses eigenartigen Cafés auf der Speisekarte konkfrontiert wird: „Wozu bin ich da?“ Aber lassen wir das! Wie gesagt, was mir gefallen hat, ist weniger der Inhalt. Es ist vor allem die Rahmengeschichte, und die ist folgendermaßen konstruiert:

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