Predigt zu Offb 3,7ff

Liebe Gemeinde!

Es ist schlimm, wenn man ausgeschlossen, gemobbt oder diskriminiert wird. Ich denke, wir alle kennen diese Erfahrung, wenn auch vielleicht nur im Kleinen. Stellen Sie sich doch einmal vor, dass Sie sich in einer Gruppe von Menschen befinden: Sie stehen etwas abseits und merken, wie drei, vier Leute zu Ihnen herüber schielen, nur ganz kurz, um sich dann wieder einander zuzuwenden und weiter zu tuscheln. Sie haben deutlich das Gefühl: Die machen sich über mich lustig. Die reden über irgendetwas, was ich gesagt oder getan habe, in einer abfälligen oder herablassenden Weise. Plötzlich fühlen Sie sich ausgegrenzt, lächerlich gemacht oder beleidigt. Wie gesagt: Das ist jetzt nur ein winzig kleines Beispiel, aber ich kann mir vorstellen, dass Menschen eine solche Erfahrung fertig macht, wenn sie so etwas alltäglich erleben, wenn das ganze Methode bekommt und man guten Gewissens von Mobbing sprechen kann. Besonders schlimm sind solche Erfahrungen des Ausgegrenzt-Werdens, wenn man eben nichts Schlimmes angestellt hat, ja wenn man sogar für eine Haltung oder Überzeugung verachtet wird, von der man zutiefst überzeugt ist, auch wenn sie nicht mehrheitsfähig ist.

Vielleicht wundern Sie sich ein wenig, warum ich so einsteige. Was hat denn das mit unserem Bibelwort zu tun? Sehr viel! Vielleicht ist Ihnen aufgefallen, dass hier sehr häufig vom Aufschließen und vom Zuschließen die Rede. Der auferstandene Christus, der hier seinem Knecht Johannes eine Botschaft an die Gemeinde von Philadelphia zukommen lässt, hat einen Schlüssel, mit dem er auf- und zuschließen kann, und mit diesem Schlüssel öffnet er der Gemeinde von Philadelphia eine Tür, die niemand zuschließen kann. Was ist damit gemeint und warum wird das so stark betont? Vor allem auch: Warum soll das die Gemeinde von Philadelphia trösten?
Die offene Tür ist für die dortigen Christen deshalb ein so schönes und positives Symbol, weil sie es erleben mussten, dass man ihnen im wahrsten Sinn des Wortes die Türe vor der Nase zugeknallt hat. Christsein war damals keine Selbstverständlichkeit. Der christliche Glaube galt den Römern als unsinniger und abscheulicher Aberglaube. Eine gekreuzigten Verbrecher anbeten, das war für die meisten damals der Gipfel der Absurdität. Wenn Christen dann noch die Anbetung des Kaisers verweigerten, dann war es mit der Geduld der römisch-hellenistischen Gesellschaft schnell vorbei. Auch wenn man in dieser Zeit noch nicht gleich um sein Leben fürchten musste: Diskriminierung und Ausgrenzung waren an der Tagesordnung. Mit der guten Nachbarschaft war es jedenfalls oft vorbei, wenn man Christ wurde, mit der Karriere natürlich auch (DDR). Eine schlimme, eine demütige Erfahrung!

Hierzu kam nun noch etwas Zweites. Sie haben sich bestimmt gewundert, warum hier so erschreckend negativ über Juden geredet wird: als „Synagoge des Satans“ werden sie bezeichnet. … Und der Ehrentitel „Jude“ wird ihnen von Johannes, der doch selbst Jude war, abgesprochen: „die da sagen, sie seien Juden, und sind’s nicht, sondern eine Synagoge des Satans.“ Trotz dieses schrecklichen Tonfalls muss man sagen, dass hier noch nicht die generelle Judenfeindschaft der späteren Kirche zum Ausdruck kommt, obwohl solche Texte später dazu herhalten mussten, antijüdisches Denken zu rechtfertigen. Die Situation damals war anders: Die jüdischen Gemeinden selbst waren in der damaligen Gesellschaft erst einmal Außenseiter und hatten lange gegen Vorurteile zu kämpfen. Diese konnten zwar nie ganz überwunden werden, und dennoch war es ihnen gelungen, mit der Zeit einen zumindest halbwegs akzeptierten Status zu erlangen. Nun tauchten auf einmal als neue Sondergruppe die Christen auf, und da überlegten natürlich viele Juden, ob man den neuen Status riskieren soll, indem man zu sehr mit den allseits verachteten Christen sympathisiert. So grenzte man sich oft scharf ab, um nicht selbst in ein schiefes Licht zu kommen. Vor allem für christusgläubige Juden konnte eine solche Ausgrenzung verheerende Folgen haben: Sie wurden im Extremfall aus der Synagoge rausgeschmissen und damit gesellschaftlich isoliert.

Verstehen Sie jetzt, warum Christus der Gemeinde als jemand begegnet, der aufschließen kann: Denen, denen man von vielen Seiten her die Türen zugeknallt hat, die sich ausgestoßen und minderwertig fühlen mussten, denen sagt er zu, dass sie bei ihm allezeit geöffnete Türen haben. Die göttliche Liebe, die er ihnen geschenkt hat, kann und wird ihnen niemand nehmen. Es wäre verständlich, wenn sie sich als Pöbel fühlen. Aber sie müssen nicht. Sie sollen nicht. Denn Christus sieht sie an, freut sich an ihnen, ist stolz darauf, dass sie an der Wahrheit festhalten. Ja, in menschlichen Augen sind sie Abschaum, aber in Gottes Augen sind sie wert geachtet: Vers 8!

Liebe Gemeinde, wir leben heute in einer anderen gesellschaftlichen Situation: Als Christen werden wir im Normalfall nicht ausgegrenzt oder verfolgt. Aber warum ist das so? Ist das nur deshalb so, weil unsere Gesellschaft heute demokratischer und toleranter geworden ist, oder ist es auch deshalb so, weil wir als Christen inzwischen in vielem so sehr an den Mainstream angepasst sind, dass wir gar nicht mehr auffallen. Kann es sein, dass wir dort, wo es um ein aufrechtes Bekenntnis ginge, oft zu schnell einknicken? Ich nehme mich da wirklich in keiner Weise heraus. Natürlich, auf der Kanzel ist es leicht, sich zu Christus zu bekennen, aber im Alltag erlebe ich mich auch als einer, der sehr genau überlegt, ob es nicht besser ist diplomatisch zu schweigen, wenn ich das Gefühl habe, dass meine Überzeugungen mir Nachteile bringen könnten. Würde Christus auch zu uns sagen: Ich kenne deine Werke. Ich freue mich darüber, dass du mein Wort bewahrst und meinen Namen nicht verleugnest. Ich denke dabei z.B. an unser Christusbekenntnis: Trauen wir uns gegenüber unseren Freunden und Verwandten zu sagen, dass er unser Lebensinhalt ist? Haben wir den Mut, sie mal zum Gottesdienst oder anderen christlichen Versammlungen einzuladen oder ihnen einfach, wenn es passt, von unseren Glaubenserfahrungen zu erzählen? Wie ist das im ethischen oder im politischen Bereich? Bin ich bereit, immer wieder ernsthaft zu fragen, wie das Leben so gestaltet werden kann, dass Gott darin zur Geltung kommt, und bin ich auch bereit zu meinen Überzeugungen zu stehen, wenn man mich dafür komisch ankuckt?

Ich denke mir manchmal: Wir schaffen das alles nur, wenn wir unsere Leben ganz in Christus festmachen, wenn wir unsere Würde in erster Linie von seiner Liebe empfangen, wenn uns sein Ja zu uns über alles geht, wenn wir echte und leidenschaftliche Liebhaber unseres göttlichen Meister sind. Dann sind wir keine angepassten Leute, die immer nur mit dem Strom schwimmen, dann sind wir das Salz, das wir nach den Worten Jesu sein sollen.

Jesus ermutigt uns zu einem couragierten Leben, weil seine Liebe uns niemand nehmen kann und weil er uns verspricht, dass er einmal alles ins rechte Licht stellen wird. Einmal wird er sich deutlich zu uns bekennen, und dann werden die anderen anerkennen müssen, dass wir keine verschrobenen Typen waren, sondern Menschen, die aus der Wahrheit gelebt haben. Vielleicht müssen wir uns das einfach nur öfter vorstellen, uns vorstellen, was am Ende bleibt, wenn Gott auf die Geschichte unseres Lebens und die Geschichte dieser Welt zurückblicken wird. Dann wird Gott all die auszeichnen, die sich zu ihm bekannt haben, dann wird das Kleine groß und das Große klein sein, dann werden andere Maßstäbe zählen. Hier ist davon die Rede, dass die, die geduldig ausharren, am Ende eine Krone bekommen werden, oder noch genauer, dass dann die Krone, die sie eigentlich schon jetzt auf dem Haupt haben, sichtbar werden wird. Ist das nicht eine wunderbare Verheißung, dass Gott uns einmal als königliche Menschen ehren wird (…). Progressiv zu sein, bedeutet nicht immer der letzten Mode, dem neusten Schrei hinterher zu hecheln, wahrhaft progressiv, fortschrittlich ist der, der schon jetzt sein Leben von den Maßstäben her lebt und gestaltet, die einst gelten werden. Natürlich ist das nicht einfach. Dazu braucht man langen Atem oder, wie es hier heißt, Geduld. Geduldiges Ausharren! Und wie gesagt: Wir schaffen diesen alternativen Lebensstil wohl nur dann, wenn wir uns immer mächtiger von der Liebe Gottes ergreifen lassen, die uns in Jesus geschenkt ist. Advent heißt in dieser Hinsicht auch: Die Tür zum Himmel ist offen, ist aufgeschlossen: Geh hinein und suche den, der allein dich zu einem authentischen und liebenden Menschen machen kann.

Amen

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Aktuelles

31. Januar 2022

Jesu Weg und unser Weg - eine Pilger- und Wanderreise auf Jesu Spuren

Sie fahren gerne im klimatisierten Reisebus durch exotische Länder, um nur ab und zu für genau getaktete Besichtigungen auszusteigen? Sie finden es zu anstrengend, sich auch mal selbst auf den Weg zu machen, um im Gehen die Landschaft wirklich unter die Füße zu bekommen und neue Erfahrungen zu machen? Sie wollen alles sehen, was zu sehen ist, auch wenn Sie dabei kaum noch aufnahmefähig sind? Sie interessieren sich für Religion und Theologie, aber haben kein so großes Interesse daran, über Glaubensfragen mit sich selbst oder anderen Menschen ins Gespräch zu kommen? … Wenn das so ist, dann würde ich Ihnen von meiner Pilgerreise nach Israel/Palästina dringend abraten. Im anderen Fall kucken Sie sich mein Angebot gerne mal an …

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5. April 2021

„Das Café am Rande der Welt“ und die Geschichte von den Emmausjüngern

Gestern habe ich ein kleines Büchlein gelesen: „Das Café am Rande der Welt“, von John Strelecky. Ein Bestseller! Deutsche Erstausgabe: 2007. Ich halte die 54. Auflage aus dem letzten Jahr in der Hand. Beachtlich! Wieder mal ein Bestseller, den ich relativ spät gelesen habe.

Wie auch immer. Ich fand das Buch anregend. Nicht so sehr wegen seines Inhalts. Den habe ich einfach schon zu oft gehört und gelesen in der immer inflationärer werdenden Lebensratgeber-Literatur. Er heißt auf den Punkt gebracht: „Lebe dein Leben, und zwar jetzt – und lass dich nicht für blöd verkaufen von denen, die dir durch ihre oft materiellen Glücksverheißungen das Blaue vom Himmel versprechen.“ In diesem Buch wird übrigens sogar ein Kürzel für den Sinn des Lebens gefunden, und das heißt: „ZDE“ = „Zweck der Existenz“. Diesen ganz individuellen „ZDE“ gilt es zu finden und zu leben. Irgendwie natürlich alles richtig, aber auch ein wenig banal, vor allem: wenn das bloß immer so einfach wäre. Viktor Frankl, der bekannte Psychotherapeut aus Österreich, hat sich dieser Aufgabe übrigens schon vor längerer Zeit auf etwas höherem Niveau gestellt. Er nannte das Logotherapie. Eine Therapie, die den Menschen individuell helfen soll, ihren spezifischen Lebenssinn zu finden, also das, wofür sie da sind. Was wiederum eine der drei Fragen ist, mit denen der Besucher dieses eigenartigen Cafés auf der Speisekarte konkfrontiert wird: „Wozu bin ich da?“ Aber lassen wir das! Wie gesagt, was mir gefallen hat, ist weniger der Inhalt. Es ist vor allem die Rahmengeschichte, und die ist folgendermaßen konstruiert:

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13. März 2021

Wie Corona unsere Gesellschaft verändert

Ich erinnere mich noch an die Zeit vor einem Jahr. Frühling 2020! Damals war Corona für uns alle noch Neuland. Neben allem Schlimmen, das wir erlebten und wovor wir Angst hatten, gab es auch einen leisen Optimismus. Viele hofften, dass durch die Pandemie auch Positives in Gang kommen würde. Covid-19 galt als Augenöffner. Der „Brennglaseffekt“ war in aller Munde. Bernd Ulrich schrieb in der Zeit (20.05.):
„Corona ist nicht die Mutter aller Krisen, noch weniger stellt sie die größte Gefahr für die Menschheit dar (das ist und bleibt das ölologische Desaster, das sich mit wachsendem Tempo vollzieht), Corona ist aber vielleicht die aufklärerischste Krise, weil sie die Welt so verlangsamt hat, dass man ihre Bewegungsgesetze besser verstehen kann.“

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